A review by ichglaubeshaagt
Oblomow by Ivan Goncharov

4.0

Lethargisch, apathisch liegt Ilja Iljitsch Minute für Minute, Tag für Tag, Jahr für Jahr auf dem Sofa und sinnt dem Ideal seiner Kindheit nach. Freunde und sonstige Gestalten, ein Querschnitt der russischen Gesellschaft, treten bei ihm ein, vertreten energisch ihre Vision eines erfüllten Lebens und gehen dann wieder, ohne zuzulassen, dass in ihren oder den Ansichten Oblomows auch nur die geringste Dynamik aufkommt.
Nein, alle sind festgefahren in ihrem Denken und Sein. Iljas Gefährte Stolz, Sohn eines Deutschen und von dessen Geschäftigkeit nur so durchtrieben, erkennt Oblomows Andersartigkeit zwar an, abgewinnen kann er ihr aber nichts. Das ist insofern interessant, als dass er zwar nicht mit den selben bösen Absichten an seinen Jugendfreund herantritt wie beispielsweise der hinterlistige Tarantjew, im Gegenteil investiert er sogar mehr Arbeit in die Umsetzung von Oblomows Traum als dieser selbst, versucht aber doch wieder und wieder ihn zu mehr Tätigkeit anzustiften. Doch all diese Versuche scheitern zwangsläufig, selbst die für meinen Geschmack mit zu viel Kitsch ausgeschlachtete Episode Oblomows Auflebens während der Beziehung zu Oljga Sergejewna ebbt schließlich ab und die Wiederholung immergleicher Episoden kehrt zurück. Folglich schreitet die Geschichte irgendwie voran ohne voranzuschreiten, man schwankt beim Lesen zwischen Abscheu und Mitleid mit dem armen Ilja, der nur ein ruhiges Leben haben will, aufgrund seiner depressiv-anmutenden Oblomowerei letztlich doch nichts dafür tut.

Die Beschreibungen des Innenlebens der Charaktere und die langen Abschnitte des Nacherzählens der Ereignisse nach den vielen kleinen und großen Zeitsprünge sind recht ausladend und die Erzählweise damit insgesamt ein bisschen passiv. Als Stilmittel steckt darin sicherlich eine interessant Komponente und die in der Geschichte sowieso schon vorherrschende Stimmung wird glänzend unterstrichen, als dem Lesefluss zuträglich empfand ich es trotzdem nicht.
Dafür glänzt Gontscharow wie in „Eine gewöhnliche Geschichte“ mit herausragenden Dialogen, hier entsteht endlich Dynamik, sogar eine gewisse Komik und es offenbart sich am deutlichsten Gontscharows unbestreitbares literarisches Talent, Weltansichten wertfrei aufeinandertreffen zu lassen, sich an ihren Gegensätzen abzuarbeiten und ihnen doch genug Platz als gleichwertige Alternativen einzuräumen.